Dylan Thomas: Do Not Go Gentle Into That Good Night (2024)

Dylan Thomas: Do Not Go Gentle Into That Good Night (1)

Frankfurter Anthologie :

Dylan Thomas: „Die gute Nacht“

Von Ruth Klüger

Lesezeit: 3 Min.

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Frankfurter AnthologieThomas Huber liest „Die gute Nacht“ von Dylan Thomas

Dieses Gedicht ist ein Aufbegehren gegen das unvermeidliche Lebensende in der Zwangsjacke einer besonders strengen lyrischen Form. Dylan Thomas machte es berühmt - und verewigte seinen Vater.

Dieses Gedicht ist eine titellose (und tadellose) Villanelle, das ist eine strikte, verzwickte, verkünstelte poetische Übung, mit ehrwürdiger Tradition, hier im Kontrast zu einem rebellischen Inhalt noch älterer poetischer Tradition, denn es behandelt eines der eigentlichsten lyrischen Themen, nämlich das Aufbegehren gegen das unvermeidliche Lebensende. Das Verblüffende ist die Wirkung dieser poetischen Zwangsjacke einerseits und des revolutionären Aufschreis, den das Gedicht vermittelt. Es ist, als ob das Metrum den Worten Ketten anlegt, aus denen sie sich befreien möchten, wie gefesselte Sklaven.

Dieses berühmteste der Gedichte des 1914 geborenen walisischen Dichters Dylan Thomas machte seinen Verfasser zu einer Idolfigur der Nachkriegspoesie, untermauert von seinen unnachahmlich eindrucksvollen Lesungen in England und den Vereinigten Staaten. Inhaltlich besteht es aus einer Auflistung von Menschen, deren Träume und Ehrgeiz sich in der Todesstunde als unerfüllt herausstellen. Die Sterbenden waren weise, wilde, gute, ernste Menschen, und am Ende gesellt sich zu ihnen noch – etwas unerwartet – der Vater des Sprechers.

Empört euch, weil das Tageslicht erstirbt!

Die Weisen konnten die Dunkelheit nicht mit Geistesblitzen erhellen; die Guten waren nicht stark genug, um dauernde Leistungen zu hinterlassen; die Ernsten lernten die Lebensfreude zu spät kennen. Die wilden Sänger, die Dichter der Sonne, erfuhren, dass ihre Gesänge unerwünscht waren und den Sonnenuntergang nicht aufhalten konnten. Alle lassen ein unfertiges Lebenswerk zurück. Und der Vater? Sein unvollendetes Werk kann nur der Sohn sein, der ihn in den letzten Versen gleichermaßen um Fluch wie um Segen bittet. Der Dichter hat sich als Sohn eingereiht, ein Höhe- oder Tiefpunkt, wie man’s nimmt. Damit schließt sich der Kreis der Aspirationen und Frustrationen.

Dieses Gedicht erschien zwar erst 1951, entstand aber schon vier Jahre früher, 1947, also nicht lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Und schon zwei Jahre davor, nämlich 1945, hatte Thomas ein Gedicht über ein Opfer des „Blitzkriegs“ verfasst, mit der umständlichen Überschrift „Eine Weigerung, den Feuertod eines Londoner Kinds zu betrauern“. Das kleine Mädchen, der Anlass dieses Gedichts, kam in den deutschen Luftangriffen von 1940/41 um, zusammen mit 32.000 anderen Opfern. Des Dichters im Titel angezeigte Weigerung, über diese Katastrophe in seiner Heimat zu trauern, endet mit der lakonischen Endzeile: „Nach dem ersten Tod gibt’s keinen andern.“ („After the first death there is no other.“)

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Die beiden Gedichte widersprechen einander, denn das eine segnet, das andere verflucht den ungewollten Tod. Da sind einerseits die alten Leute, die ihr Leben nicht ausgenützt haben, andererseits ist da das Kind, das noch gar keine Chance hatte. Doch sie ergänzen einander, wenn auch auf schiefer Ebene, als halsstarrige Versuche, sich mit dem sinnlosen Sterben auseinanderzusetzen. Es lohnt sich, in beiden die Nachwirkungen des Weltkriegs mitzulesen.

Mir fällt dazu ein Zitat aus Kafkas späten Oktavheften ein: „Die Klage am Sterbebett ist eigentlich die Klage darüber, dass hier nicht im wahren Sinn gestorben worden ist, noch immer müssen wir uns mit diesem Sterben begnügen, noch immer spielen wir dies Spiel.“

Es gibt einige gute Übersetzungen von Dylans Gedicht (zum Beispiel die von Johanna Schall), die sowohl Reim wie Rhythmus des Originals beibehalten, ein verständliches Anliegen, denn dieses Gedicht lebt, noch mehr als die meiste andere Lyrik, aus seiner Musik. Doch bei der Wiedergabe in einer Fremdsprache in Form der Villanelle, kommen Sinn und Inhalt – Bildsprache und Sprachbild – meines Erachtens zu kurz. Ich versuche hier eine reimlose Übersetzung, um den inhaltlichen Zusammenhängen dieser Verse gerecht zu werden, denn zu oft wird das Gedicht so interpretiert, als handle es von einer Verherrlichung des Lebens und nicht von den Enttäuschungen der Todesstunde. Meine Übersetzung stellt keine Ansprüche, sie will nur eine Handlangerin zu einem besseren Verständnis des Originals sein.

Dylan Thomas: „Die gute Nacht“ / „Do Not Go Gentle Into That Good Night“

Geh nicht in Frieden in die gute Nacht.
Wer alt ist, sollte schäumen voller Wut.
Empör dich, wenn das Tageslicht erstirbt!

Zwar wissen Weise: Dunkelheit hat Recht.
Doch weil sie selber keinen Blitz entzündet,
Gehn sie verzweifelt in die gute Nacht.

Und gute Menschen, deren schwache Taten
So gern in einer grünen Bucht getanzt,
Empör’n sich auf der letzten Lebenswelle.

Und wilde Männer, die die Sonne liebten
Verstehn zu spät, es war ein Missverständnis
Und klagen, fluchend, dass sie untergeht.

Und ernste Männer sehn, zu spät und lichtverbannt,
Auch blinde Augen könnten wie Meteore
Vor Freude strahl’n – und wüten, fast erblindet.

Mein Vater, du, hoch oben und in Trauer
Verfluch mich, segne mich mit scharfen Tränen,
Empör dich, weil das Tageslicht erstirbt!
Geh nicht in Frieden in die gute Nacht!

***

Do not go gentle into that good night,
Old age should burn and rave at close of day;
Rage, rage against the dying of the light.

Though wise men at their end know dark is right,
Because their words had forked no lightning they
Do not go gentle into that good night.

Good men, the last wave by, crying how bright
Their frail deeds might have danced in a green bay,
Rage, rage against the dying of the light.

Wild men who caught and sang the sun in flight,
And learn, too late, they grieved it on its way,
Do not go gentle into that good night.

Grave men, near death, who see with blinding sight
Blind eyes could blaze like meteors and be gay,
Rage, rage against the dying of the light.

And you, my father, there on the sad height,
Curse, bless me now with your fierce tears, I pray.
Do not go gentle into that good night.
Rage, rage against the dying of the light.

Dylan Thomas: „Windabgeworfenes Licht“. Gedichte. Englisch und Deutsch. S. Fischer Taschenbuchverlag. Frankfurt am Main 1995. 416 S., br., 12,95 €.

Von Ruth Klüger ist zuletzt erschienen: „Zerreißproben“. Kommentierte Gedichte. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2016. 120 S., br., 9,90 €.

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